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De boeken van W.J. Ouweneel

200 Jahre John Nelson Darby

Hrsg. vom Dokumentationszentrum für
Geschichte der Brüderbewegung. Edition Wiedenest. Hammerbrücke
(concepcion Seidel / Jota Publikationen) 2000. 91 Seiten. ISBN
3-933750-16-4. DM 14,95

Es ist eine einigermaßen erstaunliche Tatsache, dass die 200. Wiederkehr
des Geburtstages John Nelson Darbys am 18. November 2000 unter seinen
Kritikern mehr Beachtung gefunden hat als unter seinen Verehrern.
Während diejenigen Teile der "Brüderbewegung", denen Darbys Person und
Werk als unantastbare Autorität gelten, offenbar keinen Anlass für eine
besondere Beschäftigung mit ihrem "geistlichen Vater" sahen, bemühten
sich solche, die sich in den letzten Jahren von seiner Autorität gelöst
haben oder für die er nie eine Autorität darstellte, recht intensiv um
eine Würdigung seines geistlichen Vermächtnisses. In Amsterdam fand am
18. November ein "Begegnungs- und Studientag" zum Thema Darby und Jan de
Liefde statt, wobei u. a. Willem J. Ouweneel und Henk P. Medema als
Referenten auftraten; die November-Ausgabe des "Bode van het heil in
Christus" war ausschließlich John Nelson Darby gewidmet (mit Artikeln
von Ouweneel, Medema, Johan Ph. und Jaap G. Fijnvandraat, Hans Arentsen
und Simon Streuper). Bereits am 13. Mai hatte auch im oberbergischen
Wiedenest eine Gedenkveranstaltung "200 Jahre John Nelson Darby"
stattgefunden, und zwar in Verbindung mit der Jahrestagung des
"Dokumentationszentrums für Geschichte der Brüderbewegung" im
Missionshaus Bibelschule Wiedenest. Als Sprecher waren wiederum Willem
J. Ouweneel sowie Gerhard Jordy und Bernd Brockhaus eingeladen. Die
Vorträge dieses Tages sind nun - als erster Band einer neuen Reihe
"Edition Wiedenest" - auch in Buchform erschienen. Hierzu im Folgenden
einige Bemerkungen.

(1) Der Hauptvortrag am 13. Mai, überschrieben "200 Jahre John Nelson
Darby - Kritische Würdigung zu Person und Werk", wurde von Willem J.
Ouweneel gehalten (oder genauer gesagt abgelesen, denn ganz gegen seine
Gewohnheit sprach Ouweneel nicht frei). In der gedruckten Form trägt er
den Titel "John Nelson Darby (1800-1882): Person, Leben, Denken, Wirken"
(S. 5-29), was nicht unbedingt eine Verbesserung darstellt, denn über
Darbys Leben erfährt man nur sehr wenig; es handelt sich tatsächlich um
eine "kritische Würdigung" seiner Person und seines Werkes aus der Sicht
Ouweneels. Schon gleich zu Beginn stellt Ouweneel klar, dass man von ihm
"keine objektive Distanz" zu seinem Thema erwarten könne (S. 6), da er
zu eng mit der "Brüderbewegung" und ihrer Entwicklung in den letzten
Jahrzehnten verbunden sei. In seinen jüngeren Jahren habe er viele von
Darbys Auffassungen "mit Freuden übernommen"; inzwischen jedoch könne er
manche davon nicht mehr "als völlig schriftgemäß betrachten" (S. 5). Das
Aufzeigen solcher nicht schriftgemäßer Lehren steht denn auch im
Mittelpunkt seines Vortrages. Nach einem sehr knappen Überblick über
Darbys Leben (S. 7f.) skizziert er zunächst fünf zentrale Bereiche
seiner Theologie: seine Eschatologie, seine Ekklesiologie, seine
Soteriologie, seine Geschichtsauffassung und seine Typologie (S. 8-13).
In allen fünf Bereichen meldet Ouweneel Bedenken an. So erscheinen ihm
etwa der "strenge Dispensationalismus" (S. 9), die einseitige Betonung
der "Stellung" und der himmlischen Berufung des Christen (S. 11) sowie
die "Verfallslehre ... und besonders deren Konsequenzen" (z. B. die
Auffassung, in der Zeit des Verfalls könnten keine Ältesten mehr
eingesetzt werden; S. 12) nicht akzeptabel. Auch bemängelt er, dass "die
große Vorliebe für die Typologie ... schon bei Darby meistens die
grammatisch-historischen Aspekte besonders des Alten Testaments zu kurz
[habe] kommen lassen" (S. 13).

Der folgende Abschnitt (S. 14-17) ist Darbys Auffassung von der "Einheit
des Leibes" gewidmet. Das ursprüngliche Anliegen der "Brüder", einen
neutralen Boden für alle wahren Gläubigen darzustellen und keine "neue
'Glaubensgemeinschaft' unter vielen zu werden" (S. 15), also keine
eigene Gemeindeidentität herauszubilden, hält Ouweneel für ein gut
gemeintes Ideal, das aber nicht erreicht worden sei und auch nicht habe
erreicht werden können. Schon Darby selbst habe "durchaus nicht alles
unternommen ..., um eine eigene Identität der 'Brüderbewegung' zu
vermeiden. Im Gegenteil: Von Anfang an hat besonders Darby (unbewusst)
alles dafür getan, der 'Brüderbewegung' eine absolut einmalige Identität
zu geben" (S. 15). Ouweneel denkt hier u. a. an den Verzicht auf
menschliche Leitung in den Zusammenkünften und die Betonung der
"freie[n] Wirksamkeit des Heiligen Geistes" (S. 17), was in der
Kirchengeschichte einmalig gewesen sei und sich in dieser Form auch
"schwierig in der Schrift nachweisen" lasse (ebd.). Auf eine
ausführlichere Erörterung dieses Punktes lässt Ouweneel sich leider
nicht ein. Trotz mancher Fragen im Detail wird man seinem Fazit aus
diesem Abschnitt insgesamt zustimmen können: "Kein Wunder, dass die
'Brüderbewegung' einen sehr spezifischen Charakter bekam, ja, unter der
Bezeichnung 'Christen ohne Sonderbenennung' eine sehr ausgeprägte
Benennung wurde" (S. 17).

Ouweneel hält die beiden ekklesiologischen Ideale Darbys, Einheit und
Absonderung, letztlich für unvereinbar (S. 18); in dieser
Unvereinbarkeit sieht er auch den Grund für die meisten Spaltungen in
der "Brüdergeschichte". Nachdem sich Darby 1848 von den extrovertierten,
nach der Einheit aller Gläubigen strebenden "offenen Brüdern" getrennt
hatte, sei die "Einheit des Leibes" immer mehr durch die Einheit der
"exklusiven Brüdergemeinden" ersetzt worden (S. 23). In Darbys letzten
Jahren sei dann das "Versammeln auf der Grundlage der Einheit des
Leibes" einfach damit gleichgesetzt worden, sich den "exklusiven
Brüdern" anzuschließen (S. 25) - für Ouweneel "fast das Entgegengesetzte
von dem, was Darby am Anfang lehrte ...; wenn man aber dessen ganzes
Leben überblickt, fragt man sich immer wieder in tiefem Ernst, inwieweit
er für diese Entwicklung mitverantwortlich gewesen ist" (S. 26).

Am Ende seines Vortrages versucht Ouweneel eine zusammenfassende
Würdigung des geistlichen Erbes Darbys. "Seine Soteriologie und
Typologie, und ganz besonders seine Eschatologie", so stellt er fest,
"beeinflussen noch immer Millionen von evangelikalen Christen; in dieser
Hinsicht ist er vielleicht die wichtigste Persönlichkeit der
evangelikalen Christenheit des 19. Jahrhunderts gewesen. Zu gleicher
Zeit ist von seiner Ekklesiologie wenig übriggeblieben, erstens weil
deren beste Elemente außerhalb der 'Brüderbewegung' heutzutage besser
als innerhalb dieser Bewegung verwirklicht werden. Zweitens sind andere
an sich positive Elemente der Ekklesiologie Darbys in den vielen
Strömungen der 'exklusiven Brüder' so stark entartet, dass dem Namen des
Herrn dadurch viel Unehre angetan worden ist. Daran war Darby m. E. zum
Teil selbst schuld" (S. 28).

Trotz aller Kritik schließt Ouweneel dann doch versöhnlich, indem er auf
einige Punkte hinweist, in denen Darby uns auch heute noch als Vorbild
dienen könne. Die meisten dieser Punkte (z. B. Bibeltreue, Betonung des
persönlichen Glaubenserlebens, Anteilnahme an Evangelisation, Seelsorge,
Armenfürsorge) treffen freilich auch auf andere "evangelikale" Führer
des 19. Jahrhunderts zu, sodass Darbys Individualität gerade in dieser
positiven Charakterisierung kaum sichtbar wird. Wenn Ouweneel
abschließend den Wunsch ausspricht, "nicht das Schwache in seinem
[Darbys] Denken und Wirken soll[e] im Gedächtnis zurückbleiben, sondern
das Großartige, das über alle Zersplitterung der 'Brüderbewegung' und
über so manche modische Neuerung auf christlichem Gebiet hinausragt" (S.
29), so wirkt dies nicht ganz überzeugend, hat er doch gerade selbst
fast 20 Seiten darauf verwendet, das "Schwache" in Darbys Denken und
Wirken aufzuzeigen, während sich das "Großartige" auf weniger als einer
Seite zusammenfassen ließ. Viele seiner Kritikpunkte sind sicher
berechtigt; man hätte sich jedoch oft eine klarere Formulierung der
biblischen Alternativen zu den als einseitig oder nicht schriftgemäß
dargestellten Lehrauffassungen Darbys gewünscht. Aber vielleicht war
dies in einem einstündigen Vortrag auch nicht zu leisten.

Für den Druck wurde Ouweneels Referat sprachlich etwas geglättet und von
Niederlandismen befreit. (Um nur ein Beispiel zu nennen: Aus seiner
Formulierung "Es ist mit einer gewissen Zögerung, dass ich die Einladung
... angenommen habe" wurde "Mit einem gewissen Zögern habe ich die
Einladung ... angenommen" [S. 5].) Hier und da sind auch Aussagen
inhaltlich abgeschwächt oder verstärkt worden, ohne dass dabei eine
einheitliche Tendenz zu erkennen wäre. Wenn Ouweneel beispielsweise in
der Einleitung seines Vortrages festgestellt hatte, dass "noch Hunderte
von Gemeinden den Exklusivismus in seiner traditionellen Form ...
weiterhin VEGETIEREN lassen", wurde dies im Druck zu "weiter BESTEHEN
lassen" abgeschwächt (S. 5f., Hervorhebung von mir); der unmittelbar
folgende Satzteil "tun sie das OFT KAUM NOCH nach den ursprünglichen
Prinzipien Darbys" wurde dagegen verstärkt und verabsolutiert - er
lautet jetzt "tun sie das NICHT LÄNGER nach den ursprünglichen
Prinzipien Darbys" (ebd.).

Zu bemängeln ist, dass Ouweneel die von ihm angeführten Zitate nicht
belegt, was in der gedruckten Fassung ja leicht möglich gewesen wäre;
nennt er auf S. 8 immerhin noch den Namen einer Autorin (Elisabeth
Kluit), begnügt er sich auf S. 11 mit wertlosen Hinweisen wie "Jemand
hat einmal gesagt" oder "Wie ein späterer Bruder es etwa ausdrückte". Im
Einleitungsteil seines Vortrages finden sich auch mehrere Selbstzitate,
die bereits aus dem Aufsatz "'Vergadering van Gelovigen' - waarheen?"
(1996) oder aus dem "Nachtboek van de ziel" (1998) bekannt sind
(darunter die etwas unbescheiden klingende Aufzählung, in wie vielen
Ländern er schon Versammlungen und Konferenzen der "Brüder" besucht
hat). Umgekehrt hat Ouweneel Teile des Wiedenester Vortrags auch für
seinen "Bode"-Artikel und für den Vortrag in Amsterdam am 18. November
wiederverwendet.

(2) Das zweite in Wiedenest gehaltene Referat (Bernd Brockhaus über die
Elberfelder Bibel) steht in der Buchausgabe an dritter Stelle;
vorgezogen wurde der Nachmittagsvortrag von Gerhard Jordy, "Carl
Brockhaus: Ein Vater der deutschen Brüderbewegung" (S. 30-54). Dieser
Vortrag bildet in mancher Hinsicht einen Gegensatz zu dem Ouweneels: Er
wurde frei gehalten und ist dadurch weniger durchgeformt; im Vordergrund
steht die Biographie und nicht die Theologie, und die Grundhaltung des
Referenten zu seinem Gegenstand ist ungleich positiver. Da über das
Leben von Carl Brockhaus bereits mehrere Veröffentlichungen vorliegen
(darunter "Die Brüderbewegung in Deutschland" von Jordy selbst sowie
besonders die maßstabsetzende Monographie "Carl Brockhaus - Ein Leben
für Gott und die Brüder" von Rolf-Edgar Gerlach [auf S. 51 "Rudolf Edgar
Gerlach" genannt]), erfährt man in dieser Hinsicht wenig Neues;
interessant ist jedoch der kontinuierliche Vergleich mit dem Leben
Darbys, der bemerkenswerte Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten
zutage fördert (z. B. Darbys großbürgerliche und Brockhaus'
kleinbürgerliche Herkunft; Darbys schlechtes und Brockhaus' gutes
Verhältnis zu seinem Vater; Bekehrung bei beiden im Alter von 20-21,
Heilsgewissheit erst mit 26-27 Jahren usw.). Bei aller theologischen
Abhängigkeit von Darby sei Brockhaus doch "ein eigenständiger Denker und
Charakter" gewesen (S. 45); bei ihm habe immer die Evangelisation und
nicht die Lehre an erster Stelle gestanden (S. 45f.), er habe die
Gläubigentaufe und nicht die Kindertaufe befürwortet (S. 46), und durch
seine integrierende Kraft habe er das Übergreifen der meisten englischen
Spaltungen auf Deutschland verhindern können (S. 50f.). Dass die
deutschen "Brüder" bis ins 20. Jahrhundert ihre Einheit wahren konnten,
sei aber auch auf die unterschiedliche soziale Schichtung
zurückzuführen: "In der britischen Brüderbewegung gab es viele
Akademiker, die deutsche bestand aus sich emporarbeitendem
Kleinbürgertum, das eher geneigt war, den höher gebildeten Führern zu
folgen, während Universitätstheologen bekanntermaßen zu den
streitbarsten Wissenschaftlern gehören" (S. 51).

Wie Ouweneel beschließt auch Jordy sein Referat mit einer Aufzählung von
Punkten, in denen uns Carl Brockhaus im 21. Jahrhundert noch als Vorbild
dienen könne, und interessanterweise steht auch hier die "Liebe zum Wort
Gottes" (bei Ouweneel: "Treue zur Bibel") an erster Stelle.

Insgesamt strahlt Jordys Vortrag viel mehr Gelassenheit aus als der
Ouweneels; da Carl Brockhaus für ihn wohl nie dieselbe theologische
Autorität besaß wie Darby früher für Ouweneel, kann er sich seinem
Gegenstand ganz unverkrampft nähern und ohne die kämpferische
Verbissenheit, die Ouweneels Auseinandersetzung mit Darby oft prägt.

(3) Bernd Brockhaus' Vortrag "John Nelson Darby und Carl Brockhaus: Die
Übersetzung der Elberfelder Bibel" erhielt für den Druck ebenfalls einen
neuen Titel: "Licht und Schatten - John Nelson Darby und die Elberfelder
Bibel. Versuch einer Würdigung" (S. 55-75). Im ersten Teil (S. 56-68)
geht der Autor auf die übersetzungstheoretischen Grundlagen der
Elberfelder Bibel ein: Als "wörtliche" Übersetzung bewege sie - wie
Schleiermacher es ausdrückte - "den Leser dem Schriftsteller entgegen"
und verlange von ihm, sich mit den "fremden Sprachbildern und
Vorstellungen" des Originals auseinanderzusetzen (S. 61). "Insofern
leistet die Elberfelder Bibel einen vielleicht nicht ganz unwichtigen
Beitrag zum Thema 'Priestertum aller Gläubigen', da sie das Denken-,
Mitdenken- und Nachdenkenwollen, da sie die Bereitschaft zum eigenen
theologischen Arbeiten der Gläubigen ernst nimmt" (S. 62). Die modernen
"kommunikativen" Übersetzungen dagegen ließen den Laien "unmündig"
bleiben, "weil ein Berufstheologe ihm das Verstehen vorweg genommen hat"
(S. 63, Anm.). Auch die Originalsprache des Neuen Testaments sei
"keineswegs die gewöhnliche unliterarische Umgangssprache" damaliger
Zeit gewesen, sondern eine "nichtliterarische und nichtklassizistische
Fachprosa" (S. 64). So könne beispielsweise "das Wort sarx ... einem
Normalbürger griechischer Zunge im Umkreis der Paulinischen Briefe in
vielen und gerade den theologisch wesentlichen Sätzen des Paulus kaum
wirklich verständlicher gewesen sein als dem heutigen Bibelleser das
deutsche 'Fleisch'" (S. 65, Zitate von Traugott Holtz). Damit hält
Brockhaus, der selbst an der Revision der Elberfelder Bibel
mitgearbeitet hat, ein im Zeitalter der "dynamisch-gleichwertigen"
Übersetzungen ungewöhnliches, engagiertes Plädoyer für den "wörtlichen"
Übersetzungstyp.

Im zweiten Teil (S. 68-74), der in Wiedenest aus Zeitgründen nicht mehr
vorgetragen werden konnte, geht der Autor dann auf eine konkrete
Textstelle ein, an der Darby trotz seines grundsätzlichen Bemühens um
"Worttreue" sein exegetisches Vorverständnis in die Übersetzung
eingebracht habe. Zu 2Mo 15,2b ("dieser ist mein Gott, und ich will ihn
verherrlichen") biete Darby in der Fußnote eine Variante ("andere: ihm
eine Wohnung machen"), die in keiner anderen Bibelausgabe zu finden sei
und nur seinem eigenen theologischen Interesse am Bau der Stiftshütte
entspringe. Mit dieser Behauptung schießt Brockhaus freilich weit über
sein Ziel hinaus. Wie Martin Arhelger bereits in der Mailingliste
Tychikus gezeigt hat, ist die Elberfelder Bibel durchaus nicht die
einzige Übersetzung, die die genannte Variante bietet; in mindestens
drei der Bibelausgaben, die im Vorwort der Elberfelder ausdrücklich als
Hilfsmittel erwähnt werden, ist sie ebenfalls enthalten. Wenn Brockhaus
Darby unterstellt, er habe diese Lesart bzw. Deutungsvariante selbst
erfunden, bezichtigt er ihn letztlich einer offenen Unwahrheit, denn die
Fußnote der Elberfelder Bibel sagt ja ausdrücklich, dass "andere" die
betreffende Stelle so verstehen bzw. übersetzen. Aber selbst wenn diese
Variante tatsächlich einmalig wäre, könnte man daraus niemals so
weitreichende Schlüsse ziehen, wie Brockhaus sie zieht; auch in der
Elberfelder Bibel erscheint sie ja nur als mögliche Alternative in einer
Fußnote und nicht als bevorzugte Lesart im Text. Insofern ist 2Mo 15,2
als Anlass für die Vorwürfe, die Brockhaus am Ende seines Artikels gegen
Darby erhebt, völlig ungeeignet: "... zeigt dies, dass ihm [Darby] nicht
immer das demütige Hören und sich Einlassen auf das Wort des Gottes
gelungen ist, der in all seiner Demut und Herablassung zu uns doch sein
Wort an uns Menschen richten will. Da, wo es um ein theologisches
Interesse ging, hat Darby sich an einer Stelle bedauerlicherweise die
Freiheit genommen, Gott nicht ausreden zu lassen, hat er es vorgezogen,
'seine Sprache' zu sprechen, statt sich der Herausforderung des
Verstehens zu stellen und der Mühe des Lernens einer 'eigenen Sprache'
der Bibel, die auch in Ex 15,2 mit ihrer Sprache ihre Sache verkünden
will und nicht Darbys Interesse am 'Heiligtum Jehovas in der Wüste'" (S.
74). Brockhaus geht sogar so weit, diese angebliche Eigenmächtigkeit
Darbys mit der Vorgehensweise der Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen
Jehovas auf eine Stufe zu stellen (ebd., Anm.). Wenn man bedenkt, dass
es bei alledem nur um eine Fußnote geht, in der auf eine abweichende
Entscheidung anderer Übersetzer hingewiesen wird, kann man solche
Vorwürfe nur als grotesk bezeichnen.

Neben dieser groben Fehldeutung enthält der Beitrag von Bernd Brockhaus
leider auch eine Reihe von Fehlern und Nachlässigkeiten im Detail,
besonders in den (an sich verdienstvollen, da bei Ouweneel und Jordy
fehlenden) Fußnoten. So wird z. B. in der ersten Fußnote behauptet, das
Wiedenester Darby-Symposion habe am 6. Mai stattgefunden (richtig: 13.
Mai; vgl. die unmittelbar vorausgehende Seite 54!). In Fußnote 5 wird
als Beispiel für einen Anglizismus in der Erstausgabe des Elberfelder NT
Apg 12,16 angeführt: "während Petrus noch am Klopfen war". Die
Verlaufsform "am Klopfen" ist jedoch kein Anglizismus, sondern eine
völlig normale Ausdrucksmöglichkeit der (west-)deutschen Umgangssprache.
(Zur Schreibweise "Egypten" vgl. den Tychikus-Beitrag von Martin
Arhelger.) Fußnote 17 datiert die modernisierte Neuausgabe der
Lutherbibel auf das Jahr 1977; richtig wäre 1975. In Fußnote 31 wird die
Abkürzung "LXX" erklärt, obwohl diese bereits elf Seiten vorher zum
ersten Mal vorkam. Auf das Aufzeigen von Rechtschreibfehlern möchte ich
hier verzichten; hingewiesen sei nur auf die mehrmals vorkommende
Schreibung "Posek" (statt "Poseck").

(4) Die letzten 16 Seiten des Buches enthalten Auszüge aus der
Fragenbeantwortung Ouweneels sowie aus der abschließenden
Podiumsdiskussion, an der neben Ouweneel und Jordy Hans Jochen
Timmerbeil, Karl-Heinz Vanheiden und Andreas Liese sowie als Moderator
Hartwig Schnurr teilnahmen (die Behauptung auf S. 76, dass sich auch
Bernd Brockhaus und Stephan Holthaus daran beteiligt hätten, trifft
nicht zu). Hans Jochen Timmerbeil berichtet über seine persönlichen
Lektüreerfahrungen mit Darby (S. 78f.); Andreas Liese und Gerhard Jordy
analysieren das Verhältnis der "Brüder" zum Nationalsozialismus und zur
Politik allgemein (S. 80-83); Willem J. Ouweneel und Karl-Heinz
Vanheiden stellen Überlegungen darüber an, wie ein Mittelweg zwischen
Zentralismus und Independentismus gefunden werden kann (S. 84-86). In
einer "Schlussrunde" äußern die Diskussionsteilnehmer dann ihre
Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft der "Brüderbewegung" (S. 88-91).
Gerhard Jordy ruft dazu auf, mehr aufeinander zuzugehen; Hans Jochen
Timmerbeil plädiert für einen breiten Gedankenaustausch zwischen den
Leitern bibeltreuer Gemeinden; Karl-Heinz Vanheiden warnt vor einem
Abgleiten ins Sektierertum; Andreas Liese hofft, dass die "Brüder" aus
den Fehlern ihrer Geschichte lernen können; Willem J. Ouweneel fordert
ein "Zurück zur Schrift" - auch um den Preis, dass lieb gewordene
"Brüder"-Gewohnheiten aufgegeben werden müssen: "Die Brüderbewegung an
sich ist nicht wichtig. Was wichtig ist, sind Christus und das Wort
Gottes. Wir müssen uns unter seine Autorität beugen und das Wort neu
studieren" (S. 91).

Für den Druck wurden die Diskussionsbeiträge selbstverständlich
sprachlich überarbeitet, sodass sich gewisse Abweichungen zwischen den
Kassettenaufnahmen und dem gedruckten Buch ergeben; an einigen Stellen
(insbesondere in den Beiträgen Ouweneels) haben sich jedoch auch
sinnentstellende Fehler eingeschlichen, die teilweise auf ungenauem
Hinhören, teilweise aber auch auf unzureichender Sachkenntnis der
Transkribenten beruhen dürften. Ich möchte hier zumindest drei Beispiele
anführen. Auf S. 77 wird die Entstehung der "Brüderbewegung" in das
"postillonitische Zeitalter" eingeordnet; tatsächlich sagte Ouweneel
"postnapoleontisch" - ein von ihm häufig zu hörender Niederlandismus,
den der Transkribent wahrscheinlich nicht verstand. Auf S. 80 ist von
den "Betrachtungen über das Wort Gottes, ÜBER die Synopsis" die Rede
(Hervorhebung von mir); die falsche Einfügung eines zweiten "über"
zeigt, dass der Transkribent das Wort "Synopsis" offenbar nicht als
Werktitel identifizieren konnte. Auf S. 85 wird Ouweneel mit den Worten
zitiert: "Ich sage das so ein bisschen schwarz-weiß. Das macht es
manchmal etwas komplizierter." In Wirklichkeit hatte er gesagt: "ES IST
manchmal ein bisschen komplizierter", was im gegebenen Kontext genau das
Gegenteil bedeutete. Solche Fehler hätten sich durch genaueres Abhören
der Tonbänder und gründlicheres Korrekturlesen vermeiden lassen, wie man
sich überhaupt ein etwas sorgfältigeres Lektorat gewünscht hätte.

Zum Abschluss sei noch darauf hingewiesen, dass aus der
Fragenbeantwortung Ouweneels nur ein einziger Beitrag aufgenommen wurde
(S. 76-78); manche besonders provokante Äußerungen, z. B. über
"exklusive" Evangelisationen, erscheinen daher in der gedruckten Ausgabe
nicht. Auf Ouweneel selbst dürften diese Streichungen nicht zurückgehen,
denn er hatte während der Diskussion furchtlos verkündet: "Ich schäme
mich auch nicht, wenn das über Kassetten durch Deutschland geht."

Michael Schneider

Eine Rezension geschrieben für Mailingliste APOLLOS ( http://get.to/apollos )

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